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Erstes Rennen, erster Sieg: Nikodemus Holler, Team Bike Aid, im Interview

Erstes Rennen, erster Sieg: Nikodemus Holler, Team Bike Aid, im Interview

Nikodemus Holler vom Team Bike Aid gewann das erste Straßenrennen nach dem Lockdown mit World Tour Besetzung, bei der Sibiu Cycling Tour in Rumänien. Das bemerkenswerte daran: Niko fährt in einem der kleineren Profi Teams und hatte noch vor knapp 5 Monaten einen schweren Sturz bei der Tour du Rwanda. Eigentlich keine gute Grundlage um direkt beim ersten Rennen gegen die „großen Jungs“ direkt wieder um den Sieg mitzufahren.

Mit uns spricht Nikodemus Holler über Erfolge, das Team und die persönliche Erfahrung mit der Krise.

SIGMA SPORT: Nach einem schweren Sturz einen technisch anspruchsvollen Prolog zu gewinnen ist für Außenstehende erstmal schwer nachvollziehbar. Gibt es dennoch Schwierigkeiten, oder haben sich Körper und Kopf komplett erholt von diesem Sturz?

Nikodemus Holler: Mein Körper hat sich extrem gut von dem schweren Sturz erholt. Meine linke Hand schmerzt ab und zu und ich habe noch ein leichtes Taubheitsgefühl in meiner rechten Gesichtshälfte. Beides jedoch in erträglichem Maße. Psychische Probleme, beispielsweise in Form von Flashbacks, habe ich Gott sei Dank keine mehr. Dafür bin ich sehr dankbar! Technische Streckenabschnitte bereiten mir genauso viel Freude wie vor meinem Sturz.

Nikodemus Holler an der Mauer von Kigali in Ruanda

SIGMA SPORT: Mit welchen Erwartungen bist Du nach Sibiu gereist?

Nikodemus Holler: Nach so langer Zeit ohne Wettkämpfe, hatte ich versucht, meine Erwartungen nicht zu hoch zu Schrauben. Ich wusste, dass ich meine Arbeit im Training gewissenhaft erledigt hatte. Was das jedoch im Vergleich zur Konkurrenz wert ist, wusste ich nicht. Meine persönlichen Ziele waren ein guter Prolog und wertvolle Rennkilometer zu sammeln. Beides ist mir mehr als gelungen und der Tag in gelb hat alle Erwartungen, inklusive meiner eigenen, übertroffen.

Nikodemus Holler im Gelben Trikot der Sibiu Cycling Tour

Starke Performance von Niko in Sibiu

SIGMA SPORT: Du warst einer der ersten Fahrer die in den Prolog gestartet sind, erzähle uns doch wie Du die Zeit bis der letzte Fahrer im Ziel war erlebt hast.

Nikodemus Holler: Es war der Horror =) ich war bereits 3 Stunden vor meinem Start extrem angespannt und nervös. Der Kurs verzeiht keine Fehler. Jede Kurve muss man richtig nehmen. Zu viel Risiko bedeutet ein Sturz, hat man jedoch zu wenig Mut, ist ein Top Resultat dahin. Ich war heilfroh, als ich die Startrampe heruntergerollt bin und die ganze Anspannung in positive Energie umwandeln konnte. Die ganze Anspannung und Nervosität kam jedoch mit dem Überqueren der Ziellinie und der gesetzten Bestzeit zurück. Für mich hieß es dann eine gute Stunde bangen, beten und warten, dass die Zeit am Ende reichen wird. Ich kann mich nicht entsinnen, wann ich das letzte Mal so nervös war!

SIGMA SPORT: In einem Video konnte man die Emotionen sehen die bei Dir und Deinen Teamkollegen ausgebrochen sind als der letzte Fahrer das Ziel überquerte. Wie besonders war dieser Moment für Dich den Sieg direkt mit dem Team teilen zu können?

Nikodemus Holler: Ich liebe mein Team und den Spirit den wir haben. Es ist für mich jedes Mal ergreifend, wie sehr wir uns miteinander freuen. Kein Neid oder Eifersucht sondern pure Freude. Das ist etwas sehr besonderes! Natürlich habe ich im Gegenzug den Champagner brüderlich geteilt 😉 In der Sekunde, als ich als Sieger feststand, ist unendlich viel Last von meinen Schultern gefallen. Gerade der schwere Sturz in Ruanda und meine Erkrankung der Schilddrüse im vergangenen Jahr, haben den Sieg noch viel kostbarer gemacht.

Team Bike Aid 2020, Corona-bedingt ohne die afrikanischen Teamkollegen

Team Bike Aid

SIGMA SPORT: Du fährst seit 2015 für das Team Bike Aid. Was hat Dich an diesem Team so fasziniert?

Nikodemus Holler: Nach einem schwierigen Jahr 2014 in dem meine Liebe zum Radsport zu schwinden drohte, stand für mich zunächst im Vordergrund die Leidenschaft für meinen Sport wiederzufinden. Ausschlaggebend war vorerst ein globales, abwechslungsreiches Rennprogramm mit einem internationalen Fahrerkader. Ziemlich schnell faszinierten mich auch die sozialen Aspekte, wie die Förderung afrikanischer Talente und eine für professionellen Sport sehr ungewöhnlich flache Hierarchie in der Teamstruktur.

SIGMA SPORT: Was unterscheidet denn den afrikanischen vom europäischen Radsportler?

Nikodemus Holler: Afrikanische Sportler sind im Radsport noch immer die große Ausnahme. Im Laufsport dominieren vor allem ostafrikanische Sportler schon seit Jahrzehnten die Weltspitze. Der Weg in den professionellen Radsport gestaltet sich jedoch für meine afrikanischen Kollegen ziemlich schwierig. Die erste Hürde sind Wettkampf – bzw. trainingstaugliches Material. Dann fehlt oftmals eine solide Infrastruktur, also Straßen, Trainingsstätten und die für uns Europäer so selbstverständliche technische Ausbildung in der Jugend. Es hapert also an allen Ecken und Enden. Und selbst wenn eines der vielen großartigen Talente es dann trotz aller widrigen Umständen in ein organisiertes professionelles Team schafft, machen ihnen dann abgewiesene Visa-Anträge und Einreisebeschränkungen den Weg doppelt schwer. Trotz dieser offensichtlichen Benachteiligung hört man so gut wie nie ein Murren oder Jammern. Eine Verweichlichung wie ich sie hier in Westeuropa bei jüngeren Sportlern oftmals feststelle sehe ich bei den afrikanischen Kollegen deutlich seltener. 

Bei den Rennen muss man zunächst festhalten, dass es nicht „Das afrikanische Rennen“ gibt. Jedes einzelne afrikanische Rennen hat seine ganz eigene Charakteristik und somit auch Faszination. Als Tipp würde ich jedem europäischen Fahrer raten, eine große Portion Haferflocken und Müsli einzupacken, denn das Frühstück fällt hier und da schon recht dürftig aus. Das gilt übrigens auch für asiatische Rennen. Und dann heißt es eigentlich nur noch locker und flexibel zu bleiben und sich nicht von jeder Planabweichung aus dem Konzept bringen zu lassen. Die Umstände sind für jeden gleich, auch wenn es mal keinen Strom oder fließend Wasser auf dem Zimmer gibt, man kann sich sicher sein, dass es allen Sportlern so geht. Viele europäische Sportler scheitern hierbei oftmals an sich selbst

SIGMA SPORT: Dein Team fährt viele Rennen in Afrika, welche Erlebnisse bleiben am Ende einer „Afrikareise“ hängen?

Nikodemus Holler: Klimatisch und durch Armut geprägte Wohnsituationen bedingt spielt sich in vielen afrikanischen Ländern der Großteil des Lebens auf der Straße ab. Die Straßen sind zu fast jeder Stunde gefüllt und man wird mit Eindrücken überschüttet. Hinzu kommen individuelle Erlebnisse und Begegnungen. Wie immer im Leben, erlebt man jedoch nur außergewöhnliches, wenn man dem jeweiligen Land und Leuten mit einem offenen Herzen begegnet. Natürlich war die Eröffnungsfeier der vom Verein Bike Aid erbauten Schule in Ruanda etwas Außergewöhnliches. Trotzdem sind für mich persönliche Begegnungen, wie z. B. das zufällige Treffen mit einem 16-jährigen Nachwuchsfahrer aus Kigali und das damit verbundene Gespräch mit ihm, Erlebnisse die mir stärker in Erinnerung bleiben.

Die Eröffnung der “Bike Aid Scool” in Ruanda

Das Pro und Contra der Krise

SIGMA SPORT: In Ruanda war auch Dein letztes Rennen vor der Corona-Krise, wie sah Dein Alltag während des Lockdowns aus?

Nikodemus Holler: Da ich bei meinem letzten Rennen in Ruanda am 1. März schwer gestürzt bin, mir u.a. mehrere Knochenbrüche im Gesicht zugezogen hatte und in Deutschland operiert werden musste, war mein persönlicher Fokus zunächst einmal auf meine Genesung gerichtet. Deutlich schneller als von ärztlicher Seite prognostiziert, saß ich wieder auf dem Rad und plante, bereits im April wieder in den Rennnbetrieb einzusteigen. Als dann der weltweite Corona Lockdown ausgerufen wurde, bin ich motivationstechnisch zunächst einmal in ein Loch gefallen.

Rückblickend war es aus gesundheitlicher Sicht sicherlich gut für mich. Von Ende März bis Ende April habe ich nicht strukturiert trainiert und saß nach Lust und Laune auf dem Rad. In dieser Zeit war ich ein absoluter Schönwetterfahrer, doch konnte sich mein Körper dadurch vollkommen auskurieren und auch der Geist blieb frisch. Als Anfang Mai langsam aber sicher Licht am Ende des Tunnels zu sehen war, habe ich wieder mit viel Fleiß und Disziplin meine Arbeit aufgenommen.

SIGMA SPORT: Wie denkst Du wird sich der Radsport nach der Krise entwickeln, wird es ein Umdenken geben?

Nikodemus Holler: Ich habe ehrlich gesagt keine große Hoffnung, dass sich der Radsport nach Corona großartig ändern wird. Es gab in der Vergangenheit einige Krisen, die man für eine Aufarbeitung und Umstrukturierung hätte nutzen können.  Sicherlich gab es und wird es kleine Veränderungen geben. Doch im Großen und Ganzen ist der professionelle Radsport, wie jede andere professionell strukturierte Sportart rein auf wirtschaftliche Aspekte und Interessen ausgerichtet. Eine aufrichtige Auseinandersetzung mit Doping ist hier genauso wenig  von Interesse wie Chancengleichheit.

Das bekommen viele kleinere Teams auch während der Corona-Krise tagtäglich aufgezeigt. Während die WorldTour  und Pro-Conti Teams fleißig ihr Rennprogramm planen, dabei mit Geld um sich schmeißen und bei Rennen starten, bei denen sie unter normalen Umständen in hundert Jahren nicht gefahren wären, kämpfen Continental Teams um jeden einzelnen Renntag und ziehen in den meisten Fällen den Kürzeren. Es spielt nur in den wenigsten Fällen eine Rolle, von welchen Personen Manager Stellen besetzt sind und welche Vergangenheit die einzelnen Fahrer im Team haben. Am Ende ist auch der Radsport ziemlich unromantisch. Money rules the world. 

Wir als Team Bike Aid werden auch in Zukunft die Gallier sein und weiterhin versuchen, ein paar Dinge anders zu machen und denen die gerne übersehen werden eine Chance zu geben. Das schöne ist, dass es immer wieder vereinzelte Personen gibt,  Sponsoren, Veranstalter und Fans, die diese Herangehensweise zu schätzen wissen und unterstützen. Diese Unterstützung ist für uns elementar wichtig um weiter zu wachsen und weiter Schritte machen zu können.

Bike Aid im großen Fahrerfeld

SIGMA SPORT: Was würdest Du Dir für die Zukunft von Bike Aid wünschen?

Nikodemus Holler: Ich wünsche mir, dass wir weiterhin wachsen und dabei nicht unseren ganz eigenen Spirit verlieren. Wenn man sich die Teamhistorie anschaut, ist es wirklich beeindruckend, welchen Weg wir als Team gegangen sind. Diese Tendenz gilt es fortzusetzen. Wir haben tolle Partner, mit denen wir teilweise schon seit mehreren Jahren zusammenarbeiten und ich hoffe, dass noch einige Jahre dazukommen. Ich durfte in der Vergangenheit das Team prägen und hoffe, dies auch in der Zukunft tun zu können. Die Bühne auf der wir Auftreten wird Schritt für Schritt größer und der Radsport damit immer weiter ein bisschen bunter.

„Licht am Rad, brauch ich nicht!“ – Wie bitte?!

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