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Ab in die Kiste: Das Lastenrad als Autoersatz

Ab in die Kiste: Das Lastenrad als Autoersatz

Lastenräder sind schnell, flexibel, umweltfreundlich und verfügen zudem über jede Menge Stauraum. Kein Wunder, dass immer mehr Leute sich ein Lastenrad an- und das Auto abschaffen.

Es eignet sich perfekt, um Kinder oder Hunde, sperrige Gegenstände oder Einkäufe zu transportieren. Auch aus dem Leben von Ric Dettloff ist das Lastenfahrrad nicht mehr wegzudenken. Vor fünf Jahren gründete er zusammen mit seinem Partner den Fahrrad Kurierdienst CargoCowboys in Nürnberg und auch privat dreht sich bei ihm alles um Cargobikes. Mit SIGMA SPORT spricht er über den Fahrradtrend und persönliche Projekte.

SIGMA SPORT: Wie erklärst du dir den derzeitigen Lastenrad-Boom in Deutschland?

Ric Dettloff: Gerade im urbanen und suburbanen Raum ist es eine flinke und unkomplizierte Alternative zum Auto ohne Parkplatzsuche, Stau, Lärm und Abgase. Entspannter kann man seine Kinder kaum in den Kindergarten bringen.

SIGMA SPORT: Glaubst du, dass sich der positive Trend der Lastenräder weiter fortsetzen wird?

Ric Dettloff: Schaut man sich die Lastenraddichte in Amsterdam und Kopenhagen an, ist da sicherlich noch Luft nach oben. Zudem wird sich der Markt in den nächsten Jahren weiter entwickeln. Neue Player kommen auf den Markt: VW hat ein Lastenrad angekündigt, Schaeffler hat ein vierrädriges Fahrrad-Auto-Hybrid vorgestellt und die Canyon-Brüder haben eine Lastenradmarke gegründet, um an dem Trend zu partizipieren. Da wird sich sicherlich einiges bewegen in den nächsten Jahren.

SIGMA SPORT: Was muss passieren, damit zukünftig noch mehr Lastenräder auf unseren Straßen unterwegs sind?

Ric Dettloff: Allgemein braucht man eine bessere Infrastruktur, vor allem separate Fahrradwege, die getrennt von Fußgängerwegen und Auto-Straßen sind. Dann fühlen sich Leute sicher genug, dass sie auch aufs Rad steigen. Wer steht schon gern direkt neben einem 40-Tonner? Radwege sollten ausreichend breit gebaut werden, weil diese sonst durch die Lastenräder „verstopft“ werden. Zudem sind innerstädtisch gute Abschließmöglichkeiten notwendig, weil die Räder ziemlich kostspielig sind und sie von Langfingern begehrt werden.

SIGMA SPORT: Dieses Jahr fand in Fürth der erste Green Cargo Bike Contest statt. Diesen hast du zusammen mit dem ADFC Fürth und der Stadt Fürth organisiert. Wie kamt ihr auf diese Idee und wie sieht so ein Rennen überhaupt aus?

Ric Dettloff: Es gibt bereits einige solcher Lastenradrennen in Deutschland. Ich wollte gern eins in unserer Region etablieren. Es gibt drei Wettbewerbe:

Bei der „Familienstaffel“ wird der Lastenradalltag simuliert. Ein kleines Kind wird von einem Elternteil zum Kindergarten gebracht und das andere Elternteil holt es wieder ab.

Die „Carry Shit“-Kategorie ist wie eine Art Tetris-Spiel für Erwachsene: Die Lastenradpiloten erhalten Runde für Runde neue, sperrige Ladungsgegenstände wie Autoreifen, Stühle, Kisten, Bierfässer und Europaletten, die sie zunächst auf ihrem Lastenrad gut verzurren müssen. Auf dem Track darf nichts runterfallen, sonst ist man disqualifiziert. So entstehen wagemutig beladene Fahrräder, die sehr wackelig aussehen, aber meist doch recht belastbar sind, denn die Konstruktion muss ja die nächsten Runden halten.

Tetris-Spiel für Erwachsene beim Cargo Bike Contest in Fürth. (Copyright: Stadt Fürth)

Die „Muskelkraft-Kategorie“ ist eher sportlich orientiert: Die Ladungsgüter – ein leeres 30 Liter-Bierfass, ein Wasserkasten, ein Rohr und zwei 28 Zoll Fahrradmäntel – blieben gleich und müssen schnell beladen – und nach zwei Runden ordentlich wieder entladen werden. Hierbei ist weniger der Oberschenkelumfang entscheidend – vielmehr kann man mit den richtigen Handgriffen beim Laden und Entladen viel Zeit sparen und so letztlich als Erster über die Ziellinie rollen. Das Alles ist eine Riesen-Gaudi und macht Zuschauern und Teilnehmern jede Menge Spaß.

SIGMA SPORT: In deiner Freizeit setzt du dich auch für soziale und nachhaltige Projekte ein. Und immer mit dabei: dein Lastenrad. So hast du schon mehrfach von Amsterdam nach Nürnberg Fair Trade Schokolade der Marke Chocolate Makers transportiert. Erzähl mal mehr davon!

Ric Dettloff: Die Schokofahrt ist ein gutes Beispiel für ein gelungenes „Grassroot-Movement“: Vier Münsteraner haben eine kleine Bio-Manufaktur in Amsterdam entdeckt, die aus gesegelten Kakaobohnen eine Bio-Schokolade herstellt und davon 60 Kilogramm mit dem Rad nach Münster transportiert. Bei dieser Schokolade kann man dann tatsächlich behaupten, dass sie CO2-frei transportiert worden ist! Mittlerweile ist die Anzahl der Teilnehmenden dreistellig, das Gewicht der transportierten Schokolade im deutlich vierstelligen Kilogramm-Bereich und in mehr als 30 Städten kann man sie inzwischen temporär erwerben.

Wir als Nürnberger haben bisher dreimal daran teilgenommen. Mit einer Entfernung von über 800 Kilometern gibt es auch nicht allzu viele Städte, die eine längere Strecke haben. Einige von uns sind mit der Bahn angereist, andere sind sogar hingeradelt. Zuletzt sind wir mit neun Teilnehmern von Amsterdam nach Nürnberg gefahren, mit ziemlich viel Regen, Pleiten, Pech und Pannen, aber auch mit viel Spaß auf der Strecke und abends bei den Begegnungen in den Unterkünften, die wir alle über „Warmshowers“ organisiert hatten. Und so waren wir eine Woche lang unterwegs, mit jeweils über 100 Kilometern Strecke pro Tag und viel Last am Rad. Aber die Schokolade, die Menschen und nicht zuletzt die schöne Strecke durchs Rheintal und an der Loreley vorbei entschädigten für die ganzen Strapazen. So haben es dann letztlich 140 kg Schokolade umweltfreundlich von Holland bis in unsere Lebkuchenhauptstadt geschafft.

Ric Dettloff (Zweiter von links) mit weiteren Teilnehmern auf der 100% emissionsfreien Schokofahrt von Amsterdam nach Nürnberg.

SIGMA SPORT: Hast du bereits weitere Projekte für die Zukunft geplant?

Ric Dettloff: Projekte für die Zukunft sind coronabedingt ein wenig offen. Das Lastenradrennen in Fürth wird auf alle Fälle wiederholt, vielleicht gibt’s auch eins in Nürnberg. Mal schauen, wann man wieder nach Amsterdam darf. Ein wenig juckt es mich ja schon wieder, die 800 Kilometer Strecke auf mich zu nehmen. Stattdessen haben meine Partnerin und ich gerade mit dem Tandem die deutsche Nordseeküste erkundet. Wir sind von der deutsch-holländischen Grenze entspannt bis nach Sylt gerollt und haben das Meer dabei sehr genossen. Jetzt ruft die Ostseeküste. Mal sehen, wann wir uns da blicken lassen.  

SIGMA SPORT: Wann bist du das letzte Mal mit einem Auto gefahren?

Ric Dettloff: Das letzte Mal habe ich mir im Frühjahr für eine Woche einen Mietwagen für den Urlaub gemietet und bin an die Mecklenburgische Seenplatte gefahren. Dort kommt man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Fahrrad noch nicht besonders weit.

Vielen Dank für das Gespräch, Ric!

Mehr Infos:

http://green-cargo.cargobikerace.bayern

https://www.cargocowboys.de

https://schokofahrt.de/

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